Weisheitskompetenzen
Emotionale Intelligenz
Wer wäre nicht gerne weise?
Aber was zeichnet Menschen aus, die wir als weise beschreiben? Dieser Frage geht die Weisheitsforschung nach und liefert eine Reihe praktischer Einblicke. Bevor wir uns aber damit befassen wollen wir zuerst Definitionsversuche von Weisheit machen. Was ist Weisheit eigentlich?
Die Weisheitsforscher Ursula Staudinger und Paul Baltes definieren Weisheit als Expertise im Umgang mit schwierigen Fragen des Lebens, wie z.B. Fragen der Lebensplanung, Lebensgestaltung und Lebensdeutung. bzw. als Fähigkeit, die hilft, komplexe und nicht eindeutig lösbare Lebensprobleme zu verarbeiten bzw. zu ertragen.
Wir definieren Weisheit etwas kürzer, nämlich als das Ausmaß in dem ein Mensch Unterscheidungen treffen kann. Weiter verkürzt, die Fähigkeit zu Komplexitätsmangement.
Die Psychologin Monika Ardelt unterscheidet drei Komponenten von Weisheit:
- Eine kognitive Komponente "a deep and clear understandig of life and a desire to know the truth, i.e. to comprehend the significance and deeper meaning of phaenomena and events, particularly with regard to intrapersonal and interpersonal matters. Knowledge and acceptance of the positive and negative aspects of human nature, the inherent limits of knowledge, and of life's unpredictability and uncertainties.";
- Eine reflektive Komponente "a perception of phenomena and events from multiple perspectives. Requires self-examination, self-awareness, and self-insight.";
- Eine affektive Komponente "sympathetic and compassionate love for others".
(Ardelt in Baumann 2008, 49f)
In dieser Definition finden wir schon sehr viele Aspekte des Phänomens Weisheit. Weisheit hat also etwas mit der Fähigkeit zu Denken, zu Reflektieren, Emotion zu managen und insbesondere etwas mit Empathie zu tun. Üblicherweise assoziieren wir Weisheit mit höherem Alter, doch hier stellt sich heraus, dass dies von der Wissenschaft nicht bestätigt wird. Weisheitskompetenzen steigen bis zum Alter von ca. 25 Jahren und statistisch gesehen kaum mehr. Das mag verwunderlich erscheinen, ist es aber nicht. Hat also Weisheit etwas mit Lebenserfahrung zu tun? Durchaus. Expertise bei schwierigen Fragen des Lebens erwirbt man am besten in schwierigen Phasen des Lebens. Warum aber nimmt Weisheit dann im Altern durchschnittlich und wir sprechen immer von statistischen Ergebnissen, es also keineswegs ausgeschlossen ist, dass man mit zunehmendem Alter weiser werden kann. In unserer Gesellschaft ändern sich die Lebensumstände vor allem im ersten Lebensabschnitt häufig und deutlich. Viele Lebensumbrüche finden eben in den ersten 25 Jahren des Lebens statt. Sowohl in Bezug auf Wissenserwerb, Berufswahl, Beziehungen und so weiter. Solange wir also neue Erfahrungen machen, nimmt die Lebenserfahrung zu. Die Betonung liegt hier auf NEUEN Lebenserfahrungen. Die meisten Menschen erleben sehr wenig relevante bzw. dramatische Veränderungen nach dem 25.Lebensjahr und wenn es solche Erfahrungen gibt, dann sind sie meist eher unerfreulich. So nehmen viele Fähigkeiten mit dem Alter eher ab und wir erleben schon sehr früh ein Nachlassen unserer Leistungsfähigkeit. Wir haben uns mit unseren Lebensumständen arrangiert, haben jede Menge Gewohnheiten ausgeprägt und ein nicht unbeträchtlicher Teil unseres Lebens läuft auf Autopilot. Wie viele Menschen erlernen neue Fähigkeiten und suchen aktiv neue Erfahrungen? Der Anteil ist sehr gering. Wenn wir uns gar nicht ändern, wen wundert es dann, dass wir uns auch nicht zu unserem Vorteil ändern. Das ist allerdings in keiner Weise zwingend. Es ist nur verhältnismäßig selten und daher geht es nur sehr marginal in Statistiken ein.
Das ist insofern besonders bedauerlich, da es eine starke Korrelation zwischen Weisheit uns Lebenszufriedenheit gibt, man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass weise Menschen glücklicher sind. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Andreas Maerker die Entwicklung von Weisheitskompetenzen als Ziel von therapeutischen Interventionen betrachtet. Coaching unterstützt in vielen Fällen, die Ausprägung von Weisheitskompetenzen, wenn nicht sogar in allen, wenn sie nachhaltig sein sollen.
Einer der bekanntesten Weisheitsforscher im deutschen Raum ist Michael Linden der zusammen mit Kai Baumann 2008 ein sehr gutes Büchlein über Weisheitskompetenzen und Weisheitstherapie veröffentlicht hat. Darin baut er auf Veröffentlichungen von anderen, unter anderem Baltes, Staudinger und Ardelt auf und definiert zehn Weisheitskompetenzen:
1. Perspektivenwechsel
2. Empathiefähigkeit
3. Emotionswahrnehmung und -akzeptanz
4. Serenität (heitere Gelasseneit)
5. Fakten- und Problemlösungswissen
6. Kontextualismus
7. Wertrelativismus
8. Nachhaltigkeitsorientierung
9. Ungewissheitstoleranz
10. Selbstdistanz und Anspruchsrelativierung